Archiv Aktuelles 2021

25.12.2021

Erdbeben in der Ajoie

Am 25. Dezember 2021, morgens um ein Uhr, hat in der westlichen Ajoie zwischen Damvant und Réclère ein Erdbeben mit einer Magnitude von 4.1 stattgefunden. Der Herd des Bebens lag zwischen Damvant und Réclère in einer Tiefe von etwa 6 km. Es wurde im Jura verbreitet verspürt, vereinzelt aber auch im ganzen westlichen Mittelland bis nach Lausanne, Bern, Luzern und den westlichen Kanton Zürich wahrgenommen. Berichte über Schäden sind bisher keine bekannt, ernsthafte Schäden werden bei einem Beben dieser Stärke im allgemeinen auch nicht erwartet.

Im Verlaufe der Nacht und des Weihnachtstages wurden vom Messnetz des Schweizerischen Erdbebendienstes an der ETH Zürich mehrere Nachbeben gemessen, darunter eines - mit einer Magnitude von 3.6 um 15:49 - das stark genug war, um von der Lokalbevölkerung wahrgenommen zu werden. Weitere, auch spürbare Nachbeben sind nicht auszuschliessen. Obwohl in der Ajoie immer wieder kleine Beben gemessen werden, ist die seismische Aktivität relativ gering. Das Beben von Weihnachten ist das stärktste, das in den vergangenen 100 Jahren aufgetreten ist.

Erdbeben in der Ajoie

22.12.2021

Schwingende Berge

Wie Brücken und Hochhäuser schwingen auch grosse Berge. Ein internationales Forschungsteam hat diese Resonanzschwingungen nun am Matterhorn gemessen und mittels Computersimulationen sichtbar gemacht.

Das Matterhorn wirkt wie ein unverrückbarer, massiver Berg, der seit Tausenden von Jahren in der Landschaft über Zermatt thront. Eine soeben in der Fachzeitschrift «Earth and Planetary Science Letters» (https://doi.org/10.1016/j.epsl.2021.117295) veröffentlichte Studie zeigt nun aber, dass dieser Eindruck täuscht. Ein internationales Forschungsteam hat nachgewiesen, dass das Matterhorn dauernd leicht in Bewegung ist: Der Gipfel schwingt in gut zwei Sekunden um wenige Nano- bis Mikrometer hin und her, angeregt durch seismische Wellen in der Erde. Diese werden durch natürliche Quellen wie die Gezeiten, die Meeresbrandung, den Wind und Erdbeben oder durch menschliche Aktivitäten erzeugt.

«Grundsätzlich bringen die Bewegungen des Untergrunds jedes Objekt zum Schwingen, was wir glücklicherweise nicht spüren, sondern nur mit sensiblen Messgeräten feststellen können» betont Donat Fäh vom Schweizerischen Erdbebendienst an der ETH Zürich. Die sogenannten Eigenfrequenzen hängen in erster Linie von der Geometrie des Objekts und seinen Materialeigenschaften ab. Das Phänomen wird auch bei Brücken, Hochhäusern und sogar bei Bergen beobachtet. «Wir wollten wissen, ob sich solche Schwingungen auch an einem grossen Berg wie dem Matterhorn nachweisen lassen», sagt Samuel Weber, der die Studie während eines Postdoktorats an der Technischen Universität München (TUM) durchführte und mittlerweile beim WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF arbeitet. Er betont, dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Forschenden des Schweizerischen Erdbebendienstes an der ETH Zürich, des Instituts für Technische Informatik und Kommunikationsnetze der ETH Zürich sowie der Geohazards Research Group der Universität Utah (USA) für den Erfolg dieses Projekts besonders wichtig war.

Hochalpine Messeinrichtungen

Für die Studie installierten die Wissenschaftler am Matterhorn mehrere Seismometer, eines davon unmittelbar am Gipfel auf 4470 Meter über Meer und ein weiteres im Solvay-Biwak, einer Notunterkunft am Nordostgrat, besser bekannt als Hörnligrat. Eine weitere Messstation am Fuss des Berges ein, diente als Referenz. Die grosse Erfahrung von Jan Beutel (ETH Zürich/Universität Innsbruck) und Samuel Weber mit Einrichtungen zur Messung von Felsbewegungen im Hochgebirge half dem Team beim Aufbau des Messnetzes. Die Daten werden heute automatisch an den Erdbebendienst übermittelt und für spezifische Analysen verwendet.

Die Seismometer zeichneten alle Bewegungen des Berges mit hoher Auflösung auf. Durch eine 80-fache zeitliche Beschleunigung wurden die aufgezeichneten Schwingungen für das menschliche Ohr hörbar gemacht. Aus den Messdaten leitete das Team Frequenz und Richtung der Resonanzschwingungen ab. Die Messungen zeigen, dass das Matterhorn mit einer Frequenz von 0.42 Hertz ungefähr in Nord-Süd-Richtung und mit einer zweiten, ähnlichen Frequenz in Ost-West-Richtung schwingt.  

Verstärkte Schwingungen am Gipfel

Im Vergleich zur Referenzstation am Fuss des Berges waren die auf dem Gipfel gemessenen Bewegungen im Bereich der Eigenfrequenz bis zu 14-fach verstärkt, betrugen aber bei Anregung durch die seismische Bodenunruhe auch dort lediglich wenige Nanometer bis Mikrometer. Die Verstärkung der Bodenbewegungen mit zunehmender Höhe lässt sich dadurch erklären, dass der Gipfel frei schwingen kann, während der Fuss des Bergs fixiert ist. Man kann das mit einem Baum im Wind vergleichen, bei dem sich die Krone stärker als der Stamm bewegt. Verstärkungen der Bodenbewegung am Matterhorn konnten auch bei Erdbeben gemessen werden. Die Analyse der seismischen Bodenunruhe und der Erdbebenanregungen wird beispielsweise verwendet, um Fels- und Hanginstabilitäten in Bezug auf ihr Verhalten bei Erdbeben zu beurteilen. Jeff Moore von der Universität Utah, der die Studie am Matterhorn initiiert hat, erklärt: «Wir vermuten, dass Gebiete, in denen die Bodenvibrationen verstärkt werden, anfälliger für Rutschungen und Felsstürze sein könnten, wenn ein Berg von einem Erdbeben erschüttert wird.»

Solche Schwingungen sind keine Eigenart des Matterhorns. Es ist bekannt, dass viele Berge in ähnlicher Art und Weise schwingen. Forschende des Erdbebendienstes führten dazu Vergleichsmessungen am Grossen Mythen durch. Dieser Gipfel in der Zentralschweiz besitzt eine ähnliche Form wie das Matterhorn, ist aber deutlich kleiner. Wie erwartet schwingt der Grosse Mythen mit einer rund 4-mal höheren Frequenz als das Matterhorn, denn kleinere Objekte schwingen grundsätzlich mit höheren Frequenzen. Die Forschenden der Universität Utah haben die Resonanzschwingungen des Matterhorns und des Grossen Mythen im Computer simuliert und konnten sie dadurch sichtbar machen. Die US-Wissenschaftler hatten bisher vor allem kleinere Objekte untersucht wie die Felsbögen im Arches-Nationalpark in Utah. «Es war spannend zu sehen, dass unsere Simulationen auch für einen grossen Berg wie das Matterhorn funktionieren und die Messresultate diese bestätigen», sagt Jeff Moore.

Samuel Weber, Jan Beutel, Mauro Häusler, Donat Fäh & Jeffrey R. Moore (2021). Spectral amplification of ground motion linked to resonance of large-scale mountain landforms. Earth and Planetary Science Letters, available online 22 December 2021, 11729.
https://doi.org/10.1016/j.epsl.2021.117295
Schwingende Berge

22.12.2021

Frohe Weihnachten und alles Gute fürs neue Jahr

Jahresrückblicke sind immer eine sehr persönliche Sache. Dieses Jahr überbringt Ihnen Seismoritz, unser Maskottchen, die besten Wünsche fürs neue Jahr und lässt Sie an seinem persönlichen Jahresrückblick teilhaben.

«2021 war ich immer dort, wo es spannend war: Mal auf oder unter der Erde, nah oder fern, alleine oder zusammen mit anderen, wobei diese Zusammentreffen erneut vor allem in virtuellen Räumen stattfanden. Obwohl mir das neue Möglichkeiten eröffnete und ich mich so problemlos mit Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt austauschen konnte, schätzte ich meine Ausflüge in der realen Welt. Diese führten mich im Jahr 2021 mehrmals tief ins Erdinnere, wo ich die Experimente im BedrettoLab oder im Mont-Terri-Felslabor mitverfolgte. Auf Island unterstütze ich zwei Projekte beim Aufbau einer seismischen Messkampagne und reiste wiederholt auf den Mars, um dem dort installierten Seismometer bei der Arbeit zuzusehen. Immer grosse Freude habe ich an den Begegnungen mit der Bevölkerung, sei es an der Scientifica oder am Zukunftstag, welche dieses Jahr stattfinden durften. Für das nächste Jahr bin ich insbesondere auf das Erdbebenrisikomodell der Schweiz gespannt, das der SED zusammen mit dem Bundesamt für Umwelt und dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz entwickelt. Darüber hinaus hoffe ich natürlich, dass es nicht zu stark schüttelt, auch wenn ich fleissig trainiere in Deckung zu gehen.»

Weihnachtliche Grüsse

Seismoritz, Schweizerischer Erdbebendienst an der ETH Zürich

Frohe Weihnachten und alles Gute fürs neue Jahr

18.12.2021

Erdbeben zwischen Mailand und Bergamo

Am Samstag, 18. Dezember 2021, ereignete sich um 11:34 Uhr (Ortszeit) ein Erdbeben zwischen Bergamo und Mailand (Italien) mit einer Stärke von 4.4 in einer Tiefe von ca. 26 km.

Das Erdbeben wurde auch in der Schweiz, insbesondere im Tessin, weiträumig verspürt. Beim SED gingen in der Stunde nach dem Beben rund 800 Verspürtmeldungen ein, vereinzelt bis aus 200 km Entfernung. Bei einem Erdbeben dieser Stärke sind lokal Schäden möglich und es muss mit Nachbeben gerechnet werden. Die relativ grosse Tiefe des Bebens erklärt die ausgedehnte Region, in der dieses Beben verspürt wurde.

Die Poebene ist eine seismisch aktive Region in Italien, in der es gelegentlich zu spürbaren Beben kommt. Das letzte grosse Schadensbeben in der näheren Umgebung des Bebens vom 18. Dezember ereignete sich im Jahr 1802 mit einer Magnitude von 5.7.

Erdbeben zwischen Mailand und Bergamo

11.12.2021

Erdbeben südlich von Liestal (BL)

Am Samstag, 11. Dezember 2021, ereignete sich um 00:08 Uhr (Ortzeit) ein Erdbeben mit einer Magnitude von etwa 3.2 bei Arboldswil (BL), rund 8 km südlich von Liestal. Der Erdbebenherd lag in rund 25 km Tiefe. Schäden sind bei einem Erdbeben dieser Stärke in der Regel nicht zu erwarten.

Das Beben wurde im Grossraum Basel sowie am Jura Südfuss weitgehend verspürt; beim Schweizerischen Erdbebendienst an der ETH Zürich sind innerhalb einer Stunde nach dem Ereignis mehr als 300 Meldungen eingetroffen. Die relativ grosse Tiefe des Bebens erklärt die ausgedehnte Region, in der dieses Beben verspürt wurde.

Innerhalb der Schweiz weist die Region Basel nach dem Wallis eine der höchsten Erdbebengefährdungen auf. Im Jahre 1356 ereignete sich das in der Schweiz grösste historisch dokumentierte Erdbeben mit einer Magnitude 6.6 bei Basel.

Erdbeben südlich von Liestal (BL)

23.11.2021

Mit seismischer Bodenunruhe drei Milliarden Jahre Marsgeschichte aufdecken

Es gibt zwei Möglichkeiten, um zu ergründen, was sich tief unter unseren Füssen verbirgt: Man kann ein Loch bohren oder mit Hilfe von seismischen Wellen ein Bild des Untergrunds erstellen. In den vergangenen Jahrzehnten haben Seismologen und Seismologinnen Techniken und Analyseverfahren (weiter-)entwickelt, um mittels seismischer Bodenunruhe die Strukturen in den oberflächennahen Schichten des Untergrunds bis mehrere hundert Meter Tiefe abzubilden. Dank den auf der Erde erprobten Technologien gelang dies nun zum allerersten Mal auf einem anderen Planeten. Zum Vorschein kamen drei Milliarden Jahre Marsgeschichte, wie eine kürzlich publizierte Studie in Nature Communications aufzeigt.

Seit die InSight Mission der NASA im November 2018 auf dem Mars landete und ein Seismometer in Betrieb nahm, analysierte der Marsbebendienst unter der Leitung der ETH Zürich und mit Beteiligung des Schweizerischen Erdbebendienstes (SED) regelmässig die eingehenden Daten. Dabei lokalisierten die Forschenden nicht nur zahlreiche Marsbeben, sondern verwendeten diese Daten auch, um Aussagen über den Aufbau des Planeteninneren zu machen. Sie charakterisierten mit diesem Verfahren Kruste, Mantel und Kern, konnten aber keine Aussagen über die oberflächennahen Strukturen machen. Dieser Bereich ist aber von besonderem Interesse, um die geologische Geschichte des Mars zu verstehen.

Die neuste Untersuchung nutzt nicht die Marsbebensignale selbst, um in den Untergrund zu blicken, sondern die ebenfalls erfasste seismische Bodenunruhe zu Zeiten ohne Marsbeben. Auf unserem Planeten ist sie durch die Wogen der Ozeane, den Wind und menschliche Aktivitäten geprägt. In den letzten Jahrzehnten entwickelte der SED Methoden für die Analyse der Bodenunruhe und wendet diese an, um festzustellen, wie die lokale Geologie aufgebaut ist und ob der lokale Untergrund Erdbebenwellen eher abschwächt oder verstärkt. Das ist wichtig, um die Erdbebengefährdung an einem Standort zu bestimmen, aber auch für die Analyse von instabilen Hangrutschzonen in den Bergen oder in Seen.

Auf dem Mars liegt der Ursprung der Bodenunruhe im Wind, der durch Interaktion mit der Marsoberfläche seismische Wellen erzeugt. Die Auswertungen dieser Bodenunruhe erlauben nun erstmals Aufschlüsse über den Marsuntergrund und seine Geschichte in einer Tiefe von wenigen Dutzend bis zweihundert Metern. Im Unterschied zur Erde gab es auf dem Mars nie eine aktive Plattentektonik, seine Gestalt prägen Phasen von aktivem Vulkanismus, die grosse Gebiete mit basaltischen Lava-Plateaus bedeckten. Die neuen Auswertungen verdeutlichen dies. Sie zeigen eine erste etwa drei Meter dicke Schicht aus Sand (Regolith) und eine etwa 20 Meter dicke Schicht mit losem Gestein, die tausende von Meteoriteneinschlägen zerklüftet haben. Darauf folgen zwei Schichten von Lavaströmen, die den Planeten vor 1.7 und 3.6 Milliarden Jahren überzogen haben. Sie werden in einer Tiefe von ungefähr 30 bis 75 Meter von einer sedimentären Schicht durchbrochen. Diese Schichtung, ähnlich einer Torte mit verschiedenen Füllungen, gibt ein ganz spezifisches seismisches Bild ab. Dieses ermöglichte es den Forschenden, die wichtigsten geologischen Ereignisse der letzten 3 Milliarden Jahre in der Geschichte des Mars zum ersten Mal nachzuvollziehen.

Wenn Menschen eines Tages auf dem Mars landen, sollten sie wissen, was sich unter ihren Füssen befindet. Von besonderem Interesse ist die Frage, ob diese oberflächennahen Schichten Wasser enthalten. Die neusten Erkenntnisse zeigen, dass die auf der Erde erprobten Techniken und Verfahren bei der Beantwortung dieser Frage helfen.

Hobiger, M., Hallo, M., Schmelzbach, C. et al. The shallow structure of Mars at the InSight landing site from inversion of ambient vibrations. Nat Commun 12, 6756 (2021).
https://doi.org/10.1038/s41467-021-26957-7
Mit seismischer Bodenunruhe drei  Milliarden Jahre Marsgeschichte  aufdecken

04.11.2021

Forschung in Schweizer Felslaboren

Felslabore im tiefen Untergrund, mehrere hundert Meter unter der Erdoberfläche, sind wichtige Forschungsinfrastrukturen für Erdwissenschaftlerinnen und Erdwissenschaftler weltweit. Sie ermöglichen es, geologische und physikalische Prozesse aus unmittelbarer Nähe unter kontrollierten und reproduzierbaren Bedingungen und in grossem Detail zu beobachten. Diese Vorteile von Felslaboren nutzt auch der Schweizerische Erdbebendienst (SED) an der ETH Zürich für zahlreiche seiner wissenschaftlichen Aktivitäten. Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Felslabors Mont Terri (JU), rücken wir diese Forschungsarbeiten in den Fokus.

Der SED sowie andere Forschungsgruppen des Departements für Erdwissenschaften der ETH Zürich sind langjähriger Partner des Mont-Terri-Felslabors, das sich von einer einst überschaubaren Forschungseinrichtung in einem Seitentunnel des Autobahntunnels zwischen St. Ursanne und Courgenay zu einer international anerkannten Institution entwickelt hat. Lag der Schwerpunkt des Mont-Terri-Labors in den Anfängen primär auf Untersuchungen zur Lagerung von radioaktiven Abfällen, rückten Forschungsarbeiten zur Speicherung von CO2 im Untergrund in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus. In diesem Gebiet engagiert sich auch der SED seit einigen Jahren als Teil des vom Bundesamt für Energie (BFE) und der EU finanzierten Forschungsprojektes «Elegancy». Ziel ist es, zu untersuchen, ob abgeschiedenes CO2 aus industrieller Produktion, etwa von Kehrichtverbrennungsanlagen oder der Atmosphäre, sicher und dauerhaft im tiefen Untergrund in der Schweiz oder an einem anderen Ort auf der Welt eingelagert werden kann. Weltweit sind bereits einige solcher «Carbon Capture and Storage» (CCS) Projekte in Betrieb. Eine der Herausforderungen dabei besteht darin sicherzustellen, dass das CO2 nicht durch Störungszonen (Bruchzonen im tiefen Untergrund) in der Deckschicht langsam an die Erdoberfläche wandert und so wieder in die Atmosphäre gelangen kann. Um dies auszuschliessen, müssen die physikalischen und chemischen Prozesse besser verstanden werden, die beeinflussen, ob und wie CO2 durch Störzonen entweichen könnte. Zudem soll untersucht werden, ob das eingepresste CO2 das Potential hat Mikroerdbeben auszulösen. 

Forschende des SED haben dazu gemeinsam mit Partnerinstitutionen wenige Liter mit CO2 angereichertem Salzwasser über mehrere Monate hinweg mit wechselndem Druck in eine Störzone im Opalinuston injiziert, und dabei mit geophysikalischen und geochemischen Messsensoren genau überwacht, was im Gestein passiert. Der Opalinuston ist im Prinzip eine ideale Deckschicht für ein CO2-Lager, weil er eine extrem niedrige Wasserdurchlässigkeit hat. Bislang war aber nicht klar, ob CO2 durch Störzonen im Ton wandern kann. Erste Ergebnisse der Untersuchungen im Mont Terri zeigen, dass das nahe der natürlichen Störzone injizierte CO2 wie erwartet aufsteigt. Es breitet sich dabei aber nicht nur entlang der Störzone aus, was der einfachste Weg wäre, sondern verteilt sich in einem komplexen Muster in der Umgebung und vermischt sich dabei mit dem bereits in der Störzone vorhanden CO2. Das CO2 wandert also nur sehr langsam Richtung Erdoberfläche. Zudem schwillt der Ton an, sobald er mit dem CO2-Salzwasser-Gemisch in Berührung kommt. Dies führt dazu, dass sich Risse wieder schliessen und sich keine Pfade für den CO2-Aufstieg formen. Daher kann davon ausgegangen werden, dass der Opalinuston ein sehr effizientes Deckgestein ist und auch kein CO2 aus dem Reservoir über tausende Jahre entweichen würde. Mittelfristig wird das CO2 in das Gestein eingebunden beziehungsweise mineralisiert und ist dann permanent fixiert. Die Ergebnisse werden aktuell für wissenschaftliche Publikationen aufbereitet. Die Forschungsarbeiten im Mont-Terri-Felslabor leisten damit einen Beitrag zur Erreichung der UN-Klimaziele, bei denen sogenannte «negative Emissionen» mit Hilfe CCS eine wichtige Rolle spielen. 

Ebenfalls in einem Tunnel tief im Untergrund betreibt die ETH Zürich ein Felslabor mit etwas anderem Schwerpunkt. Das «BedrettoLab» ist eine Forschungsinfrastruktur, die sich rund 1,5 Kilometer unter der Erdoberfläche und in der Mitte eines 5,2 Kilometer langen Tunnels befindet, der das Tessin mit dem Furka-Eisenbahntunnel verbindet. Im BedrettoLab betreiben verschiedene Wissenschaftsteams experimentelle Forschung. Ziel dieser Experimente ist es insbesondere neue Methoden zu entwickeln, um im tiefen Untergrund einen effizienten Wärmetauscher zu erzeugen, ohne dabei grössere spürbare oder gar schadenbringende Erdbeben auszulösen. Zudem wollen die Forschenden mit Absicht sehr schwache, für Menschen nicht spürbare Beben mit Magnituden von 0 bis 1 auslösen, damit sie den etwa 10 bis 30 Meter langen Bruchprozess aus wenigen Metern Entfernung beobachten können. Durch diese Experimente ergeben sich neue wissenschaftliche Erkenntnisse für die Geothermie und die Erdbebenphysik sowie neue Techniken und Sensoren, welche in diesem Bereich eingesetzt werden können. Der SED ist ein zentraler Forschungspartner des BedrettoLabs und verantwortlich für die seismische Überwachung aller Arbeiten. 

Erste, wichtige Erkenntnisse über den Zusammenhang von Geothermie und induzierten Erdbeben sammelte der SED bereits vor der Eröffnung des BedrettoLabs in einem weiteren Felslabor in der Schweiz im Grimsel. Auf einer etwas kleineren Skala als im Bedrettotal untersuchten die Forschenden die Physik von induzierten Erdbeben, also Beben, die beispielsweise im Rahmen von Stimulationen bei tiefen Geothermieprojekten auftreten können. Die Untersuchungen in den Felslaboren werden durch kleinformatige Experimente mit Gesteinsproben im «Rock Physics and Mechanics Laboratory» an der ETH Zürich ergänzt. In diesem Labor können die Forschenden das Umfeld noch besser kontrollieren als direkt im Felsen. Um Forschung weiterzubringen sind Forschungslabore – egal ob im Felsen tief unter der Erdoberfläche oder in Gebäuden der ETH – für die Wissenschaft unerlässlich, um den komplexen Prozessen im Erdinnern auf die Spur zu kommen. 

02.11.2021

Zwei spürbare Erdbeben im Wallis und im französischen Jura

Der Schweizerische Erdbebendienst hat am Abend des 1. November 2021 zwei Erdbeben mit Magnituden von 2.8 und 3.1 registriert. Das erste Beben, mit Magnitude 2.8, ereignete sich um 21.13 Uhr (Lokalzeit) ca. 10 km nördlich von Sion (VS), in einer Tiefe von 5 km. Es wurde in Teilen des Wallis und des Kantons Freiburg deutlich verspürt, aus dem Rhonetal bei Sion gingen über 100 Verspürtmeldungen ein. Das zweite Beben, mit Magnitude 3.1, ereignete sich um 23.15 Uhr (Lokalzeit) 15 km nordöstlich von Le Locle im französischen Jura in einer Tiefe von 14 km. Dieses Beben wurde nur schwach verspürt. Die beiden Beben haben sich in seismotektonisch ganz verschiedenen Regionen ereignet und liegen etwa 120 km voneinander entfernt. Ein Zusammenhang zwischen den Ereignissen kann daher trotz der zeitlichen Nähe ausgeschlossen werden.

Schäden sind bei Beben dieser Stärke nicht zu erwarten. Falls Sie eines der Beben gespürt haben, können Sie Ihre Beobachtungen unter  www.seismo.ethz.ch/earthquakes/did-you-feel-an-earthquake melden.

Spürbare Beben sind im Jura vergleichsweise selten. Im Wallis hingegen werden im langjährigen Mittel ungefähr fünf Beben pro Jahr von der Bevölkerung gespürt. Schadensreiche Beben können grundsätzlich in beiden Regionen jederzeit vorkommen. Sie sind jedoch auch im Wallis, der Region mit der höchsten Erdbebengefährdung in der Schweiz, eher selten. Mit einem starken Beben mit einer Magnitude von 6 oder mehr ist etwa alle 50 bis 150 Jahre zu rechnen. Zuletzt ereigneten sich im Jahr 1946 bei Sierre (VS) ein Beben mit einer Magnitude von 5.8. Wo genau das nächste grössere oder kleinere Beben auftritt, lässt sich nicht vorhersagen. 

15.10.2021

Wasserspiel tanzt im Rhythmus von Erdbebenwellen

Dienten Brunnen früher der Wasserversorgung, beleben und verschönern sie heute öffentliche und private Räume. In der Sonderausstellung «Wellen – Tauch ein!» von focusTerra bringt ein Brunnen sogar die Kraft seismischer Wellen künstlerisch zum Ausdruck. Das Wasserspiel, angetrieben von zwölf kugelförmigen Düsen, bewegt sich in der Dynamik von Erdbebenwellen. Besucherinnen und Besucher der Sonderausstellung können dabei entscheiden, in welcher Choreographie das Wasserspiel tanzen soll.

Zur Auswahl stehen neben Echtzeit-Signalen von der Station Zürichberg und der focusTerra Ausstellung auch die Mars-Signale von der NASA InSight Mission, das Erdbeben bei Linthal (GL) im Jahr 2017 mit einer Magnitude von 4.6 und das starke Erdbeben von Tohoku (Japan) mit einer Magnitude von 9.1, das sich im Jahr 2011 ereignete. 

Ein Algorithmus übersetzt die unterschiedlichen seismischen Signale und definiert damit die Form und Grösse der Wasserbögen. Die Wasserdüsen sind in vier Dreiergruppen angeordnet und schiessen teilweise über 2.5 Meter in die Höhe. Dabei erzeugt je eine Düse pro Gruppe einen Wasserstrahl, der entweder die Beschleunigung, die Geschwindigkeit oder den Weg (oder die sogenannte «Verschiebung») der aufgezeichneten Bodenbewegung darstellt. Diese drei Parameter bilden auch die Grundlage seismologischer Auswertungen. 

Eine grosse Version dieses Wasserspiels kann beim Zürcher Seebad Enge bestaunt werden. Der Springbrunnen «Aquaretum» zeigt ebenfalls in Echtzeit die Signale der Station Zürichberg. Meist sind es die Wogen des Atlantiks, des Mittelmeers oder der Ostsee, die das Wasserspiel steuern. Diese von den Meereswellen verursachten Schwingungen werden ständig von der seismischen Station am Zürichberg aufgezeichnet und sogleich an die Brunnensteuerung übermittelt. Etwa einmal pro Woche ändert sich für eine kurze Zeit die Dynamik des Wasserspiels und zwar dann, wenn sich weltweit ein grosses Beben ereignet hat und dessen Schwingungen den Untergrund auch in Zürich bewegen. Kleinere Schweizer Beben lassen sich mit etwas Glück ebenso auf dem Brunnen im Zürichsee und seinem kleinen Bruder in der focusTerra-Ausstellung entdecken.

Die Sonderausstellung «Wellen – Tauch ein!» von focusTerra ist noch bis am 5. März 2023 geöffnet.

Mehr Informationen finden Sie hier.

05.10.2021

Erdbeben bei Arolla (VS)

Am Dienstag, 5. Oktober 2021, ereignete sich um 07:39 Uhr (Ortszeit) ein Erdbeben mit einer Magnitude von 4.1 in der Nähe von Arolla (VS). Der Erdbebenherd lag etwa 2 km unter Meeresniveau unterhalb des Mont Collon. Bei einem flachen Beben dieser Stärke sind kleinere Schäden nahe dem Epizentrum vereinzelt möglich, allerdings ist die Region nicht besiedelt und uns sind bislang keine Schäden berichtet worden. Es gab jedoch mehr als 60 Verspürtmeldungen, darunter ein Grossteil in Zermatt (Epizentraldistanz: 19 km) und Sion (Epizentraldistanz: 31 km).

Das letzte, ähnlich grosse Ereignis in der Nähe ereignete sich im März 1996 (ebenfalls Magnitude 4.1). Nach einer relativ ruhigen Phase ohne signifikante Erdbeben in den folgenden fast 25 Jahren gab es im September 2020 ein Beben mit einer Magnitude 3.5 und gestern Morgen eines mit einer Magnitude 3.0. Eine erste Analyse deutet darauf hin, dass das Beben Resultat einer in etwa Nord-Süd ausgerichteten schrägen Aufschiebung ist, wie auch schon das Magnitude 3.5 Beben in 2020.

Grundsätzlich sind Erdbeben in dieser Region nichts ungewöhnliches, der Kanton Wallis weist innerhalb der Schweiz die grösste Erdbebengefährdung auf. Es ist zu erwarten, dass in den nächsten Tagen und Wochen kleinere Nachbeben auftreten werden, die möglicherweise auch gespürt werden können. Die Wahrscheinlichkeit, dass in den nächsten Tagen oder Wochen noch ein ähnlich grosses oder grösseres Beben auftritt ist sehr gering, es ist allerdings auch nicht auszuschliessen.

15.09.2021

Feldforschung in Island für geothermische Energie

Zehn Forscherinnen und Forscher des Schweizerischen Erdbebendienstes (SED) an der ETH Zürich reisten im Juni und August 2021 nach Island, um zwei Projekte mit einer seismischen Messkampagne zu unterstützen. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen GeoForschungs-Zentrum (GFZ) und Reykjavik Energy (ON Power) errichtete das Team ein Netzwerk von 500 sogenannten «seismic nodes» im geothermischen Gebiet von Hengill, das sich im Südwesten von Island befindet. Es handelt sich dabei um das grösste und dichteste Netz von seismischen Messstationen, das bisher in dem Land installiert wurde. 

Die Feldarbeit in Island war Teil einer seismischen Messkampagne für ein Geothermieprojekt in Island und «DEEPEN» (DErisking Exploration for geothermal Plays in magmatic ENvironments), ein europäisches Forschungsprojekt im Bereich der geothermischen Energie. DEEPEN will einen Ansatz entwickeln, der Risiken der Feldexploration in der Tiefengeothermie minimiert, und dazu beitragen, die Erfolgswahrscheinlichkeit bei Bohrungen nach geothermischen Fluiden in magmatischen Systemen zu erhöhen.

Bei den verwendeten «seismic nodes» handelt es sich um 5-Hz-Geophone mit integrierter Batterie und Digitalisierer (SOLOS von der Universität Genf) und 5-Hz-Geophone mit externem Digitalisierer und Batterie (vom Geophysikalischen Instrumentenpool des GFZ). Die Daten aus solchen dichten seismischen Messnetzwerken ermöglichen den Forschenden ein besseres Verständnis des Untergrunds. Dank der geringen Grösse der «seismic nodes» konnte das Forschungsteam den Netzaufbau innerhalb von zwei Wochen im Juni abschliessen, trotz der schwierigen Wetterbedingungen, des steilen Geländes und der langen Wanderungen zu den einzelnen Standorten.

Ein besonderer Schwerpunkt des Netzwerkes lag auf der nördlichen Region um Nesjavellir und dem südlichen Hverahlid, wo sich die produktivsten Bohrlöcher des Geothermalkraftwerkes befinden. Ein sogenannter "Vibrotruck" (siehe Abb. 2) fuhr durch das nördliche Messgebiet und lieferte ein zusätzliches Quellsignal. Der Vibrotruck, der üblicherweise in solchen seismischen Explorationen eingesetzt wird, drückt eine vibrierende Platte auf die Erdoberfläche. Die niederfrequenten Schwingungen breiten dann sich im Untergrund aus und werden von den Gesteinsschichten reflektiert. Diese erzeugten seismischen Wellen wurden von den installierten Geophonen aufgezeichnet und lieferten weitere Erkenntnisse über den geologischen Untergrund.

Nach dem Aufbau war das Netz zwei Monate lang erfolgreich in Betrieb und überschnitt sich mit einem anderen seismischen Netz (COSEISMIQ), das ebenfalls vom SED betrieben wird. Im August 2021 reiste die Gruppe erneut nach Island, um beide Netzwerke schlussendlich wieder abzubauen. Die Forscherinnen und Forscher erwarten, dass sie mit der hochdichten seismischen Aufnahmen den Untergrund in noch nie dagewesenen Details beleuchten können.

05.08.2021

Ein besseres Verständnis von «Slow Slips» gibt Einblicke in die Funktionsweise von Erdbeben

Erdbeben werden durch die plötzliche Freisetzung von Spannungen entlang von Verwerfungen in der Erdkruste verursacht. Die seismischen Wellen, die bei diesen schnellen Bruchvorgängen in der Erdkruste entstehen, breiten sich durch den Boden aus und verursachen Erschütterungen. Diese Erschütterungen nehmen wir als Erdbeben war. Es gibt aber auch sanftere Prozesse, nämlich seismische Brüche, die keine Erschütterungen bewirken. Diese sogenannten «Slow Slips» (oder langsamen Rutschungen) erweckten das Interesse eines Forschungsteams des Schweizerischen Erdbebendienstes (SED) an der ETH Zürich, der King Abdullah University of Science and Technology (KAUST) in Saudi-Arabien, der Universität Genf, des Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ) und der Universität Bologna in Italien.

«Slow Slips» sind Brüche in der Erdkruste, die sich sehr langsam ausbreiten, ohne dass es zu erheblichen Bodenerschütterungen kommt. Ein solcher Bruchprozess kann von weniger als einem Tag bis über ein Jahr hinaus dauern. Dennoch haben «Slow Slips» das Potenzial, Erdbeben oder Erdbebenschwärme auszulösen – ein Prozess, der bislang noch nicht vollständig aufgeklärt ist.

Solche langsamen Rutschungen treten am häufigsten in Regionen auf, in denen tektonische Platten übereinandergleiten (Subduktionszonen), insbesondere am Rande des Pazifischen Ozeans, beispielsweise in Japan, Neuseeland, Nord- und Mittelamerika oder in der Nähe von Vulkanen wie dem Ätna in Italien oder dem Kilauea auf Hawaii.

Das Team analysierte die Korrelation zwischen den Merkmalen eines jeden langsamen Ereignisses und der ausgelösten seismischen Aktivität. Die Ergebnisse zeigen, dass flachere «Slow Slips» im Vergleich zu tieferen langsamen Rutschvorgängen eher dazu neigen, starke Seismizität auslösen. Diese Informationen können nun genutzt werden, um ein Modell zur Vorhersage von Veränderungen und Gefahren im Zusammenhang mit diesen speziellen Ereignistypen zu verbessern. Die Forschenden hoffen, dass die Datenbank und die Modellierung weiterentwickelt werden können, um ein besseres Verständnis dieser komplexen Prozesse zu erlangen.

Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in der wissenschaftlichen Zeitschrift «Science Advances» veröffentlicht und sind unter folgendem Link abrufbar: https://advances.sciencemag.org/lookup/doi/10.1126/sciadv.abg9718

 

07.07.2021

Verspürtes Beben bei Eglisau

Ein Beben der Magnitude 2.0 ereignete sich am Mittwoch, 7. Juli 2021, um 10:25 Uhr (Ortszeit) bei Eglisau (ZH) in einer sehr geringen Tiefe, innerhalb der obersten Kilometer der Erde. Weil sich das Beben so nahe der Erdoberfläche ereignet hat, war es trotz seiner kleinen Magnitude in Eglisau deutlich zu verspüren. Dies belegen die ungefähr 50 Verspürtmeldungen, die in den ersten beiden Stunden nach dem Beben beim Schweizerischen Erdbebendienst (SED) an der ETH Zürich eingegangen sind. Auch typisch für solch schwache, untiefe Beben ist, dass sie teilweise als Knall und weniger als Bodenerschütterung wahrgenommen werden. Bei einem Erdbeben dieser Stärke sind keine Schäden zu erwarten.

Das Gebiet von Eglisau ist seit 1984 für seine seismische Aktivität bekannt, die durch sehr schwache und selten spürbare Beben in geringer Tiefe charakterisiert ist. Das letzte etwas stärkere Beben bei Eglisau, mit einer Magnitude von 3.1, ereignete sich am 12. September 1999. Das aktuelle Beben ist das stärkste Ereignis seit diesem Datum; in den Jahren 2004 und 2015 gab es jeweils ein Ereignis mit einer Magnitude von knapp 2. Die Charakterisierung der tektonischen Strukturen, die für diese Erdbeben verantwortlich sind, ist Gegenstand von laufenden wissenschaftlichen Untersuchungen.

01.07.2021

Erdbeben am Furkapass

Am Donnerstag, den 1. Juli 2021, hat um 13:11 Uhr ein Erdbeben der Magnitude 4.0 die Region nördlich des Furkapasses erschüttert. Das Hypozentrum lag in einer Tiefe von rund 7 km. Das Beben wurde vor allem in nord-südlicher Richtung bis nach Zürich und Schaffhausen verspürt, wie die bisher über 500 eingegangen Verspürtmeldungen belegen. Aus der Romandie und dem Bündnerland gingen nur wenige Verspürtmeldungen ein. Schäden sind bisher keine bekannt. Nennenswerte Schäden sind für ein Beben dieser Stärke auch nicht zu erwarten, umso mehr als das Epizentrum in einer kaum besiedelten Region liegt.

Das Gebiet vom Wallis über die Zentralschweiz bis ins Bündnerland ist für seine überdurchschnittliche Erdbebentätigkeit bekannt. In der näheren Umgebung des aktuellen Epizentrums haben sich aber in den letzten Jahrhunderten keine Schadensbeben ereignet.

09.06.2021

Erdbeben bei Neuenburg

Am Mittwoch, den 9. Juni 2021, ereignete sich um 10:30 Uhr (Ortszeit) ein Erdbeben der Magnitude 2.4 in Neuenburg. Das Epizentrum lag nördlich des Bahnhofs. Das Beben ereignete sich in einer für Erdbeben sehr geringen Tiefe, in den obersten 1-2 km der Erdkruste. Es wurde daher trotz der eher niedrigen Magnitude in Neuenburg von zahlreichen Personen deutlich verspürt. Im Jahr 2021 traten in der Umgebung von  Neuenburg bereits mehrere solcher sehr flachen und deutlich verspürten Beben auf. Eines mit einer Magnitude von 2.9 ereignete sich im Februar und eines Ende Mai mit einer Magnitude von 2.6. Diese scheinbare Häufung der Beben in der Region ist unserer Einschätzung nach voraussichtlich ein statistischer Zufall. Tektonisch liegt die Region rund um den Neuenburgersee an der Grenze zwischen Molassebecken und Juragebirge, einer Region innerhalb der Schweiz mit einer mittleren Erdbebengefährdung. Beben dieser Magnitude sind somit zwar seltener als etwa im Wallis, aber nicht ungewöhnlich und auch stärkere bzw., Schadensbeben sind nicht auszuschliessen. Im Jahr 1876 gab es beispielsweise in der Region Neuenburg ein deutlich stärkeres Beben mit einer Magnitude 4.5.

Erdbeben bei Neuenburg

22.04.2021

Dem Erdbeben von 1946 auf der Spur – eine interaktive Schnitzeljagd durch Sitten

Heute, am 22. April 2021 öffnet in der Altstadt von Sitten die interaktive Schnitzeljagd über das Erdbeben von 1946. An 13 Posten laden verschiedene Spiele die Besuchenden ein, mehr über die Ereignisse von damals sowie ihre Bedeutung für heute zu erfahren. Durch die Schnitzeljagt führt «Wallis», das Seismographen-Maskottchen des Pädagogischen Zentrums für Erdbebenprävention (CPPS).

Alles, was die Teilnehmenden dafür brauchen, ist ein Smartphone sowie die App GuidiGO, in welcher sie den die Schnitzeljagd unter dem Titel «Erdbeben von 1946» abrufen können. Die Schnitzeljagd ist auf Französisch, Deutsch und Englisch verfügbar und dauert etwa zwei Stunden.

Warum in Sitten und gerade jetzt? Am 25. Januar 1946 erschütterte ein Erdbeben der Stärke 5.8 das Wallis. Das war das bisher letzte Erdbeben in der Schweiz, welches Todesopfer forderte. Heuer – 75 Jahre danach – startet in Sitten eine Veranstaltungsreihe, um an dieses Beben zu erinnern, den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Erdbebengefährdung in der Schweiz aufzuzeigen und die Bevölkerung auf das bestehende Risiko aufmerksam zu machen. Unterstützt wurde die Entwicklung der Schnitzeljagd von der Gemeinde und Burgerschaft von Sitten, dem Schweizerischen Erdbebendienst (SED) an der ETH Zürich und der HES-SO Valais-Wallis.

Wir wünschen allen Teilnehmenden viel Vergnügen bei der Schnitzeljagd!

Mehr Informationen finden Sie hier: www.cpps-vs.ch/de-de/Erdbeben-von-1946

Hintergrundinformationen zum Erdbeben von 1946 finden Sie hier.

Dem Erdbeben von 1946 auf der Spur – eine interaktive Schnitzeljagd durch Sitten

06.04.2021

Nach den Stürmen: InSight entdeckt grössere Marsbeben

Die InSight-Mission der NASA hat vor Kurzem zwei grössere Marsbeben entdeckt. Möglich machte dies der auf dem Planeten einsetzende Sommer, während dessen sich die Winde jeweils beruhigen und der Staub sich legt. Jetzt, nach einem Marsjahr (oder 687 Erdtagen), ist der von der ETH Zürich geleitete Marsbebendienst schneller denn je in der Lage, die seismische Aktivität auf dem roten Planeten auszuwerten. Daran beteiligt sind die Gruppe Seismologie und Geodynamik und der Schweizerische Erdbebendienst.

Nach mehreren Monaten mit windigem Wetter und Staubstürmen beruhigte sich die Marsatmosphäre wieder, und das Seismometer auf dem InSight-Lander hat begonnen, stärkere Marsbeben aufzuzeichnen. Anfang März wurden zwei neue Marsbeben mit Magnituden von 3.3 und 3.1 beobachtet. Innerhalb von zwölf Stunden nach Eingang der Daten auf der Erde haben Forschende des Marsbebendienstes der ETH Zürich Ort, Magnitude und in einem Fall sogar den Herdmechanismus bestimmt. Das schnelle Ergebnis zeigt, dass die gesamte von der InSight-Mission eingerichtete Kette von Datenaufzeichnung, -übertragung und -analyse effizient und schnell funktioniert. Die beiden Ereignisse zeichnete eine einzelne Station in über 1’200 Kilometer Entfernung auf (eine ähnliche Station auf der Erde wäre dazu nicht in der Lage). Sie reichen aus, um die im Lauf des vergangenen Jahres gewonnenen geologischen Erkenntnisse zur inneren Struktur und Oberflächentektonik des roten Planeten zu bestätigen.

Seit dem Beginn der InSight-Mars-Mission am 26. November 2018 wurden über 500 Marsbeben aufgezeichnet. Mit Magnituden zwischen 1 und 4 sind dies kleine Ereignisse im Vergleich zu Beben auf der Erde. Nur wenige dieser Marsbeben konnten zuverlässig geortet werden, indem man deren Richtung und die Entfernung zum Seismometer bestimmte. Die jüngst erfassten grösseren Marsbeben ereigneten sich in Cerberus Fossae, einem langen, etwa 1’200 Kilometer von Elysium Planitia entfernten Grabensystem, wo InSight gelandet war. Die Beben weisen einen Ausdehnungsmechanismus auf, der mit den regionalen tektonischen Gegebenheiten übereinstimmt und zeigen, dass die Marskruste weiterhin einer starken Verformung unterliegt.

Im Rahmen der InSight-Mission werden die auf dem Mars aufgezeichneten Daten in regelmässigen Übertragungen, oft mehrmals täglich, über das NASA Deep Space Network zur Erde zurückgesendet. Dort werden sie vom Jet-Propulsion Laboratory (JPL) in den USA und dem Nationalen Zentrum für Weltraumforschung (CNES) in Frankreich zeitnah aufbereitet, einer Qualitätskontrolle unterzogen und danach an den Marsbebendienst der ETH Zürich in die Schweiz geschickt. Der Marsbebendienst hat die Aufgabe, eine erste Analyse der Daten vorzunehmen mit dem Ziel, Marsbeben zu identifizieren und periodisch Marsbebenkataloge herauszugeben. Diese bilden den Ausgangspunkt für weitere wissenschaftliche Untersuchungen. Es handelt sich hierbei um ein gemeinschaftliches Unterfangen zu dem Seismologinnen und Seismologen der ETH Zürich, des Instituts für Erdphysik Paris (IPGP), der Universität Bristol und des Imperial College London beitragen. Zu Beginn der Mission waren die auf dem Mars aufgezeichneten Daten voller Überraschungen und schwer zu entschlüsseln. Nachdem seismische Daten vom Mars ein ganzes Jahr lang verarbeitet wurden, ist der Marsbebendienst nun in der Lage, die Signale binnen weniger Stunden nach ihrer Aufzeichnung auf dem Mars vollständig zu charakterisieren. Diese Leistung ist vergleichbar mit jener moderner seismischer Netzwerke auf der Erde.

In Anerkennung der erfolgreichen Leistung von InSight hat die NASA die Verlängerung der Mission um ein zweites Marsjahr genehmigt. Leider sammelt sich der rote Staub, der für alle Bilder vom Mars charakteristisch ist, auch auf den Solarpanels von InSight an, was deren Stromproduktion verringert und Bedenken über den langfristigen Betrieb der Mission aufkommen lässt.

Um mehr über die NASA-Mission InSight zu erfahren, besuchen Sie www.insight.ethz.ch oder www.mars.nasa.gov/insight/.

Zugang zur gemeinsamen Pressemitteilung über das jüngste Marsbeben.

Nach den Stürmen: InSight entdeckt grössere Marsbeben

19.03.2021

MLhc: eine überarbeitete Lokalbebenmagnitude für die Schweiz

Eines der gängigsten Kriterien zur Charakterisierung eines Erdbebens ist seine Magnitude. Die Magnitude beziffert die während des Bebens freigesetzte Energie, also seine Stärke. Je grösser die Magnitude eines Erdbebens, desto wahrscheinlicher ist es, dass dessen Erschütterungen verspürt werden. Es gibt verschiedene Magnitudentypen: beispielsweise die Lokalbebenmagnitude (ML, das ist die Richterskala, für Erdbeben, die relativ nahe an den registrierenden Stationen auftreten), die Raumwellenmagnitude (mb, für Erdbeben in grösseren Entfernungen), die Oberflächenwellenmagnitude (MS, ebenfalls für grössere Entfernungen) oder die Momentmagnitude (Mw, für alle Erdbebentypen). Diese verschiedenen Skalen wurden im Laufe des letzten Jahrhunderts entwickelt und modifiziert. Im Wesentlichen widerspiegeln sie unsere immer besser werdende Fähigkeit, Erdbeben von unterschiedlichen Grössen und in unterschiedlichen Entfernungen zu überwachen.

Allen Magnitudentypen ist gemeinsam, dass sie unmittelbar anhand der Erdbebensignale berechnet werden können, die von den seismischen Stationen registriert werden. Zur besseren Charakterisierung von Erdbeben in der Schweiz hat der Schweizerische Erdbebendienst an der ETH Zürich (SED) kürzlich eine überarbeitete Lokalbebenmagnitude (MLhc) eingeführt. MLhc gewährleistet das harmonische Zusammenspiel der routinemässigen Berechnung der Lokalbebenmagnituden in der Schweiz mit der technologisch hochentwickelten Erdbebenforschung beim SED. Zudem ermöglicht MLhc eine optimale Nutzung des sehr dichten nationalen seismischen Netzwerks der Schweiz. Was bedeutet das genau und wie unterscheidet sich MLhc von der bisher verwendeten Lokalbebenmagnitude?

Erdbeben werden meist anhand der Lokalbebenmagnitude (ML) charakterisiert, die im Jahr 1935 von Charles Richter in Kalifornien eingeführt wurde. ML ist oft von regionalen Faktoren abhängig. So kalibrierte Urs Kradolfer, der ehemalige Forscher beim SED, im Jahr 1984 ML für Erdbeben in der Schweiz. Seine Berechnungen beruhten auf den Aufzeichnungen des nationalen seismischen Netzwerks der Schweiz, das damals aus 23 Stationen bestand, die lediglich vertikale Bodenbewegungen erfassten. Um die Jahrtausendwende wurde Kradolfers Modell angepasst, um von der nächsten Generation digitaler 3-Komponenten-Breitbandinstrumente des modernisierten seismischen Netzwerks der Schweiz zu profitieren. Dies geschah insbesondere durch die Verwendung von Aufzeichnungen horizontaler Bodenbewegungen (MLh).

In den vergangenen 20 Jahren wurde das nationale seismische Netzwerk der Schweiz erheblich erweitert und umfasst mittlerweile mehr als 200 seismische Stationen, darunter über 100 hochleistungsfähige Starkbebensensoren. Dadurch kann der SED heute routinemässig Erdbeben erfassen, die sich in sehr geringen Entfernungen (15 bis 20 km) von ihrem Herd im Erdinnern (Hypozentrum) ereignen, und deren MLh häufig kleiner als 2 ist. Solch geringe Entfernungen und kleine Magnituden liegen allerdings ausserhalb des Kalibrierungsbereichs von Kradolfers Modell. Eine weitere Einschränkung von MLh besteht darin, dass stationsbezogene Korrekturfaktoren, die durch lokale Bodeneigenschaften bedingt sind, nicht systematisch angewandt wurden.

Dieser Aspekt ist jedoch von entscheidender Bedeutung, insbesondere bei Starkbebenstationen, die sich zumeist in städtischen Gebieten befinden und häufig durch eine signifikante Verstärkung von Bodenbewegungen gekennzeichnet sind. Bei der Verwendung von MLh mussten die Seismologinnen und Seismologen Stationsmagnituden von Standorten verwerfen, die sich zu nah am Erdbeben befanden oder zu starke Standortverstärkungen aufwiesen. Um diese Nachteile zu bewältigen, ist der SED kürzlich zur einer überarbeiteten Lokalbebenmagnitude übergegangen: «MLhc». Das «c» steht dabei für «corrected», d. h. «korrigiert».

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass MLhc kalibriert wurde, um Magnituden zu liefern, die MLh so ähnlich wie möglich sind. Allerdings bringt MLhc zwei deutliche Verbesserungen, die den Forschenden die Nutzung der Informationen von allen Stationen im Netzwerk ermöglichen und für stabilere Magnituden sorgen, insbesondere bei kleinen Erdbeben:

  • Zum einen erfolgt die Kalibrierung anhand eines wesentlich grösseren Datenbestands, der eine hohe Zahl an Aufzeichnungen sehr nahe am Hypozentrum einschliesst. Somit ermöglicht MLhc die Einbeziehung von Stationen, die weniger als 20 km vom Hypozentrum entfernt sind.
  • Zum anderen berücksichtigt das Verfahren zur Berechnung von MLhc physikalisch basierte Standortverstärkungsfaktoren, die routinemässig vom SED berechnet und aktualisiert werden. Dies ermöglicht den Seismologinnen und Seismologen, alle Stationen unabhängig von Standorteffekten zu nutzen.

Auch wenn der SED zur einfacheren Kommunikation nur den Begriff «Magnitude» verwendet, wird in den ausführlichen Informationen auf der Website des SED immer der Magnitudentyp des Erdbebens angegeben.

Weitere Informationen über die verschiedenen Magnitudentypen finden Sie hier.

15.03.2021

Erdbeben bei Bern

Am Montag, dem 15. März 2021 hat sich um 14:27 Uhr (Lokalzeit) südlich von Bern in einer geringen Tiefe von rund 5 km ein Erdbeben der Magnitude 3.2 ereignet.

Die Erschütterungen waren vorwiegend im Grossraum Bern gut zu spüren. In der ersten Stunde nach dem Beben sind beim Erdbebendienst bereits mehrere Hundert Meldungen aus der Bevölkerung eingegangen. Bei einem Erdbeben dieser Stärke sind keine Schäden zu erwarten.

Am 3. Februar 2021 ereignete sich ungefähr 10 km nördlich des aktuellen Ereignisses ein kleineres Beben mit Magnitude 2.8, das in einem ähnlichen Gebiet verspürt wurde. Auch in der näheren Umgebung zum Erdbeben vom 15. März 2021 wurden bereits kleinere Erdbeben registriert, ein spürbares zuletzt am 6. Juni 2015 mit Magnitude 2.6. Zudem wird derzeit ein möglicher Zusammenhang mit einer Nord-Süd verlaufenden Struktur von Erdbeben südlich von Bern analysiert.

07.02.2021

Erdbeben bei Cornaux (NE)

Am Sonntag, dem 7. Februar 2021, ereignete sich um 10:37 Uhr (Ortszeit) nördlich von Cornaux in sehr geringer Tiefe ein Erdbeben der Stärke 2.9.

Die Erschütterungen waren in einem Radius von 5 km um das Epizentrum gut zu spüren, insbesondere in Cornaux, Cressier und Marin-Epagnier. Die sehr geringe Tiefe des Ereignisses erklärt, warum es in der Umgebung deutlich zu spüren war, aber keine Meldungen aus einer Entfernung von mehr als 6 km beim Schweizerischen Erdbebendienst an der ETH Zürich eingegangen sind. Bei einem Erdbeben dieser Stärke sind keine Schäden zu erwarten.

Das letzte von der Bevölkerung in dieser Region verspürte Erdbeben ereignete sich am 3. Februar 2003, sein Epizentrum lag 3 km südwestlich des heutigen Bebens.

05.02.2021

Beben bei Singen (D)

Ein Beben der Stärke 3.2 ereignete sich am Freitag, 5. Februar um 15:14 Uhr (Ortszeit), südwestlich von Singen (D), ca. 15 km nordöstlich von Schaffhausen, in einer Tiefe von rund 10 km. Bei einem Erdbeben dieser Stärke sind keine Schäden zu erwarten. Dem Erdbeben gingen seit Freitagmorgen sieben kleinere Vorbeben mit Magnituden zwischen 1.1 und 2.0 voran, zudem ereigneten sich einige Nachbeben, das stärkste bisher mit einer Magnitude von 2.0. Das Beben wurde im Grenzgebiet vereinzelt, schwach verspürt.

Das Gebiet war bereits 2016 seismisch aktiv, mit einer Sequenz von über 100 vornehmlich sehr schwachen Beben bei Hilzingen (D), von denen das stärkste eine Magnitude von 3.0 aufwies. Die Beben von heute liegen ca. 3 km weiter südöstlich, in der Verlängerung der damals, nach eingehender Analyse, identifizierten Störungszone.

Die Orientierung dieser Störungszone stimmt gut mit dem Verlauf des Hegau-Bodensee Grabens überein. Dieser ist Teil einer grossräumigen tektonischen Grabenstruktur, die sich vom Kaiserstuhl nordwestlich von Freiburg (D) bis zum Bodensee erstreckt, und durch die tertiären und mesozoischen Sedimente vermutlich bis hinab ins Grundgebirge reicht. Die jetzige Sequenz kann vermutlich als weiterer Ausdruck der tektonischen Deformation entlang dieser Grabenstruktur gedeutet werden. Um das zu bestätigen, sind allerdings noch vertiefte Analysen notwendig.

03.02.2021

Erdbeben bei Bern

Am Mittwoch, dem 3. Februar 2021 hat sich um 23:35 Uhr (Lokalzeit) nördlich von Bern, in einer geringen Tiefe ein Erdbeben der Magnitude 2.8 ereignet.

Die Erschütterungen waren vorwiegend in Bern und im Gebiet um Bern, in Liebefeld, Ittigen und Zollikofen gut zu spüren. Bis kurz nach Mitternacht sind beim Erdbebendienst bereits über 200 Meldungen aus der Bevölkerung eingegangen. Bei einem Erdbeben dieser Stärke sind keine Schäden zu erwarten.

Bereits knapp eine Stunde vor diesem Beben, um 22:37 Uhr und 22:39 Uhr, wurden vom Schweizerischen Erdbebendienst an der ETH Zürich zwei Vorbeben an ähnlicher Stelle und Tiefe mit geringeren Magnituden um 2 registriert. Diese zwei schwächeren Beben wurden in Bern und der unmittelbaren Umgebung nur ganz vereinzelt verspürt.

25.01.2021

Erdbeben in der Schweiz im Jahr 2020

2020 war für das seismische Netzwerk der Schweiz sowohl ein bewegtes als auch ein ruhiges Jahr. Der Schweizerische Erdbebendienst an der ETH Zürich zeichnete im vergangenen Jahr 1’400 Erdbeben in der Schweiz und im grenznahen Ausland auf. Das sind etwas mehr, als im langjährigen Durchschnitt zu erwarten gewesen wären. Verspürtmeldungen aus der Bevölkerung gingen zu 106 dieser Beben ein, zu sieben meldeten jeweils mehr als 100 Personen ihre Beobachtungen. Aussergewöhnlich ruhig war letztes Jahr das vom seismischen Netzwerk ebenfalls erfasste Hintergrundrauschen. Die aufzeichneten Daten zeigen, dass dieses insbesondere während des Lockdowns vielerorts stark abgenommen hat.

Das grösste Beben sowie die meisten verspürten Beben ereigneten sich im Zusammenhang mit einer Erdbebensequenz bei Elm (GL), die sowohl im Frühling als auch im Herbst besonders aktiv war. Am 26. Mai 2020 erschütterte ein erstes stärkeres Beben der Magnitude 3.1 das Glarnerland. Darauf folgten dutzende kleinere Nachbeben. Am 25. Oktober ereignete sich im gleichen Bruchsystem mit einer Magnitude von 4.3 das grösste Beben des Jahres, das vereinzelt bis ins Tessin und an den Bodensee verspürt wurde. Nennenswerte Schäden wurden keine verzeichnet. Ihm folgten erneut über 250, teils ebenfalls weiträumig wahrnehmbare Nachbeben mit Magnituden von bis zu 3.9. Insgesamt haben sich mehr als 350 Erdbeben im Rahmen dieser Sequenz ereignet. Sie trägt massgeblich dazu bei, dass sich im Jahr 2020 überdurchschnittlich viele Beben ereignet haben.

Während die Elm-Sequenz vor allem die Deutschschweiz bewegt hat, sorgte am 23. Juni ein Beben mit einer Magnitude von 3.8 bei Vallorcine (F) für viele Verspürtmeldungen aus der Westschweiz. Die Tessiner Bevölkerung verspürte vor allem ein Beben bei Milano (I) mit einer Magnitude von 3.9 sowie eines bei Bellinzona (TI) mit einer Magnitude von 2.9. Mit einer Magnitude von 3.5 trat am 9. November ein weiteres stärkeres Beben südlich von Arolla (VS) im schweizerisch-italienischen Grenzgebiet auf. Dass grössere Beben über weite Distanzen von Menschen wahrgenommen werden können, zeigt das Beben in Kroatien mit einer Magnitude von 6.3, welches in der Epizentralregion schwere Schäden verursachte. In der Schweiz, ungefähr 600 Kilometer vom Epizentrum entfernt, haben über dreissig Personen die Erschütterungen bemerkt und gemeldet. Die meisten von ihnen haben sich zur Zeit des Bebens in den obersten Stockwerken von höheren Gebäuden aufgehalten. Von einem so weit entfernten Beben treffen in der Schweiz vorwiegend die langperiodischen Wellen ein, die vor allem hohe Gebäude ins Schwanken bringen können.

Wenn die mehr als 200 seismischen Stationen in der Schweiz nicht gerade die Wellen eines Erdbebens aufzeichnen, messen sie das sogenannte Hintergrundrauschen. Neben natürlichen Vibrationen, ausgelöst durch Stürme oder die Bewegungen des Meeres, wird dieses Rauschen vor allem durch menschliche Aktivitäten wie den Verkehr beeinflusst. Dabei lassen sich mit Seismometern nur generelle Bewegungsmuster erkennen und nicht, wie sich beispielsweise einzelne Personen oder Fahrzeuge bewegen. Der Lockdown im März sowie weitere Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus führten zu einer markanten Abnahme dieses Hintergrundrauschens. Diese Ruheperiode ist die längste, die jemals aufgezeichnet wurde. Ähnliche Ruhephasen sind ansonsten nur an den Wochenenden oder über die Festtage zu beobachten.

Schaut man sich die oberhalb abgebildete Entwicklung des täglichen Hintergrundrauschens an vier verschiedenen Standorten an, zeigt sich bei allen ein klarer Rückgang infolge des Lockdowns am 16. März 2020. Mit Ende der ausserordentlichen Lage Mitte Juni steigt das Hintergrundrauschen wieder an. Das von den Seismometern aufgezeichnete Hintergrundrauschen ist an jeder Station einzigartig und hängt beispielsweise davon ab, wie weit gewisse Lärmquellen entfernt sind. Nimmt man das Beispiel der kleinen Schanze in Bern oder des Kasernenareals in Zürich sieht man zwar ebenfalls den Rückgang infolge des Lockdowns, er ist aber weniger ausgeprägt als an anderen Standorten. Das hängt damit zusammen, dass beide Standorte im Vergleich zu anderen weiter weg von vielbefahrenen Strassen liegen. Die kleineren, wiederkehrenden Schwankungen, die an allen Standorten zu erkennen sind, widerspiegeln die Wochentage und Wochenenden. Also auch während des Lockdowns war das Hintergrundrauschen am Wochenende nochmals geringer als von Montag bis Freitag.

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25.01.2021

75 Jahre seit dem letzten grossen Schweizer Beben

Es war bereits dunkel, als am 25. Januar 1946 ein heftiges Erdbeben mit einer Magnitude von 5.8 das Wallis erschütterte. Vier Menschen kamen ums Leben, zahlreiche wurden verletzt und 3'500 Gebäude teils schwer beschädigt. Bis das ganze Ausmass deutlich wurde, dauerte es eine Weile. Das hatte nicht nur mit der Zeit des Bebens zu tun, sondern auch mit dem Umfang der Schäden und den damaligen Auswertungsmöglichkeiten der seismischen Daten. Das Beben verursachte nicht nur Gebäudeschäden, die vielfach erst im Tageslicht deutlich hervortraten, es löste auch Lawinen und Felsstürze aus. Zudem mussten die Daten der wenigen Seismographen in der Schweiz erst von Hand abgelesen und ausgewertet werden. Ähnlich aufwendig war das Sammeln von Verspürt- und Schadensmeldungen, denen aufgrund der wenigen instrumentellen Aufzeichnungen ein wichtigerer Stellenwert zukam. Es handelt sich um das grösste Schweizer Beben der vergangen 150 Jahre und um das bisher letzte, das Todesopfer forderte. Könnte sich erneut ein solches Beben ereignen und was wären die Folgen heute?

In der Schweiz ist alle 50 bis 150 Jahre mit einem vergleichbaren Beben zu rechnen. Erdbeben halten sich aber an keinen genauen Fahrplan. Das nächste grosse Beben kann sich daher genauso gut in nächster Zeit oder erst in einigen Jahrzehnten ereignen. Das Wallis gehört neben der Region Basel, dem Bündnerland, der Zentralschweiz und dem St. Galler Rheintal zu den Gebieten mit der höchsten Erdbebengefährdung hierzulande. Obwohl grosse Beben grundsätzlich in der ganzen Schweiz auftreten können, sind es diese Regionen, in denen sich mehr und daher auch häufiger starke Beben ereignen. Würde es heute ein ähnliches Beben wie vor 75 Jahren im Rhonetal geben, wäre aufgrund der dichteren Besiedlung mit wesentlich schwereren Folgen und Schäden in einer Grössenordnung von 26 Millionen CHF zu rechnen.

Regelmässig erinnern spürbare Beben die Walliser Bevölkerung, dass der Boden unter ihren Füssen seismisch aktiv ist. Neben einzelnen Beben treten im Wallis, wie auch anderorts in der Schweiz, häufig Erdbebensequenzen auf. Eine besonders aktive Sequenz, mit mehr als 16 verspürten Beben innerhalb von zehn Tagen, wurde im Jahr 2019 nahe des Sanetschpasses beobachtet. Die 56 seismischen Stationen im Wallis zeichnen ausserdem zahlreiche kleinere Beben auf. Die dichte Überwachung ermöglicht es, die seismische Aktivität rund um die Uhr zu beobachten und im Falle von grösseren Beben die Bevölkerung, Behörden und Medien umgehend zu informieren. Die Analyse der seismischen Daten hilft zudem dabei, den lokalen Untergrund besser zu verstehen. Sie liefert damit eine wichtige Grundlage für die Erdbebenprävention. Neben dem Wissen über das empfohlene Verhalten ist vor allem eine erdbebengerechte Bauweise zentral, um die Folgen eines Bebens zu mindern. Dies sind beides Aspekte, in welche der Kanton Wallis in den vergangenen Jahren viel investiert hat.

Die Erdbebenaktivität im Wallis hängt wie in der gesamten Schweiz mit dem Aufeinanderprallen der europäischen und der afrikanischen Lithosphärenplatten zusammen. Die Folge sind zahlreiche Bruchsysteme im Untergrund, auf denen sich Spannungen aufbauen und plötzlich in Form von Erdbeben wieder lösen. Aus geologischer Sicht stellt die Rhone-Simplon-Verwerfung eine der wichtigsten Störzonen in der Region dar. Sie verläuft im Bereich von Sion entlang des Nordrandes des Rhonetals. Die Seismizität im Bereich der helvetischen Decken nördlich des Rhonetals steht daher wahrscheinlich in Zusammenhang mit den Deformationsprozessen entlang der Rhone-Simplon-Verwerfung, aber eventuell auch mit den tiefer liegenden Hebungsprozessen im Bereich des Aar-Massivs und des Aiguilles-Rouges/Mont-Blanc-Massivs. Ein verbessertes Verständnis dieser tektonischen Prozesse und ihrer Auswirkungen auf die heutige Seismizität sind Gegenstand aktueller Forschungsarbeiten beim Schweizerischen Erdbebendienst (SED) an der ETH Zürich. Darüber hinaus entwickelt der SED derzeit gemeinsam mit dem Bundesamt für Umwelt, dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und der EPFL ein Erdbebenrisikomodell für die Schweiz. Dies wird künftig dabei helfen, die möglichen Folgen eines Erdbebens besser abschätzen zu können und die Verhältnismässigkeit von Massnahmen zu überprüfen.

Weitere Informationen zu den Aktivitäten zur Erinnerung und Vorbereitung auf das nächste Erdbeben im Wallis finden Sie hier:

https://wp.unil.ch/seisme1946/?lang=de

Erdbeben 1946 – didaktischer und pädagogischer Rundgang im Herzen der Stadt Sitten