Diese Sektion betreibt das nationale seismische Netzwerk der Schweiz und nutzt dieses sowohl für Grundlagenforschung als auch für angewandte seismische Forschung. Ihre Hauptziele sind die rechtzeitige Bereitstellung von Erdbebeninformationen und -warnungen über verschiedene Kanäle sowie die Analyse der seismischen Aktivität im ganzen Land. Die Alarme werden unter anderem automatisch an Bundes- und Kantonsbehörden sowie an die breite Öffentlichkeit versendet. Die Sektion deckt alle Aspekte der Netzwerkseismologie und der dazugehörigen Wissenschaften ab, von der Erdbebenfrühwarnung (EEW) bis hin zur Erstellung kuratierter Erdbebenkataloge. Durch diese wegweisende Forschung können unsere Produkte und Dienstleistungen kontinuierlich verbessert werden.
Die Sektion analysiert zudem die seismotektonischen Daten zur Seismizität in der Schweiz und dem grenznahen Ausland. Sie verwaltet lokale Netzwerkverdichtungen in Gebieten mit industriellen Aktivitäten, die zu Seismizität führen können wie beispielsweise Geothermieprojekte und Tunnelbau. Gleichzeitig bietet sie entsprechende Überwachungs- und Alarmierungsdienstleistungen an. Darüber hinaus entwickelt die Sektion Echtzeit-Seismologie-Software, die in weiten Teilen Europas und weltweit eingesetzt wird.
Die Erdbebenüberwachung und die Alarmierung in der Schweiz beruhen auf dem dichten und modernen nationalen seismischen Netzwerk, das über 400 Echtzeitstationen umfasst, darunter mehr als 200 permanente Stationen. Sie sind Teil der nationalen Breitband- und Starkbebennetzwerke und werden ergänzt durch temporäre Netzwerke, Nachbebenstationen, Schulseismometer und Stationen in der Nähe der Landesgrenzen, die von ausländischen Behörden betrieben werden. Dieses umfangreiche Netzwerk gewährleistet eine detaillierte Erdbebenerfassung: Es kann alle Beben der Magnitude 1.5 in der gesamten Schweiz und in vielen Gebieten sogar unterhalb der Magnitude 1 lückenlos aufzeichnen.
Die Sektion arbeitet eng mit nationalen und internationalen Akteuren zusammen, um die Überwachungskapazitäten aufrechtzuerhalten und zu erweitern. Sie spielt eine wesentliche Rolle in den Bereichen Forschung, Bildung und Öffentlichkeitsarbeit, indem sie den Zugang zu Erdbebeninformationen gewährleistet und die Erdbebenvorsorge unterstützt. Ebenso ist sie für die Organisation zweier SED-Pikett-Teams verantwortlich, die eine sofortige manuelle Überprüfung von verspürten Erdbeben durchführen, den Erdbebenkatalog verwalten und den Informatikbetrieb des SED rund um die Uhr aufrechterhalten. Des Weiteren koordiniert die Sektion Spezialnetzwerke nach starken Erdbeben in der Schweiz und den Nachbarländern.
Die Sektion wird von Dr. John Clinton geleitet und ist in vier Forschungsgruppen unterteilt.
Unter der Leitung von Philipp Kästli und Dr. Carlo Cauzzi verwaltet diese Gruppe die zentralen Funktionen des seismischen Netzwerks der Schweiz. Sie beschäftigt sich mit der Erkennung und quantitativen Erfassung von Erdbeben sowie den zugehörigen wissenschaftlichen Infrastrukturen und Produkten. Die Gruppe stellt grundlegende Informationen bereit, wie Erdbebenstandorte, Magnituden, Herdmechanismen, Momententensoren, ShakeMaps und Wellenformarchive. Sie überwacht und dokumentiert die Verfügbarkeit und Qualität von Wellenformdaten und pflegt die Metadaten der Messinstrumente.
In Zusammenarbeit mit der Sektion Gefährdung und Risiko unterstützt die Gruppe für Datenverarbeitung, Produkte und Alarmierung die Erstellung von schnellen Schadensabschätzungen. Diese Leistungen entsprechen den internationalen Standards der FDSN. Die Gruppe entwirft und verwaltet zudem die Hardware- und Softwaresysteme sowie die Datenbanken, die diese Funktionen unterstützen, und gewährleistet so Redundanz und Zuverlässigkeit bei Datenverarbeitung und Alarmierung. Darüber hinaus ist sie auch für die Sammlung und Analyse von Verspürtmeldungen aus der Bevölkerung nach bedeutenden Beben verantwortlich.
Diese Gruppe, geleitet von Dr. Maren Böse und Dr. Frédérick Massin, entwickelt fortschrittliche Methoden zur schnellen Erkennung und Charakterisierung von Erdbeben, die potenziell Menschen und Gebäude gefährden. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Erdbebenfrühwarnung (EEW), der Erstellung von schnellen und fortlaufend aktualisierten ShakeMaps, schnellen Schadensabschätzungen sowie Sensibilisierungskampagnen. Das Team arbeitet eng mit anderen SED-Gruppen zusammen, um zentrale Komponentem eines dynamischen Erdbebenrisikorahmens zu entwickeln, der verschiedene seismische Produkte nahtlos integriert und dieselben Datenbanken, Arbeitsabläufe und Software nutzt.
Die Arbeit der Gruppe in der Erdbebenfrühwarnung umfasst die die Entwicklung, Erprobung und Anwendung von Algorithmen (Virtual Seismologist, Finite-Fault Rupture Detector (FinDer)), die Optimierung des seismischen Netzwerks und der Verarbeitungsinfrastruktur, die Übermittlung von Warnmeldungen mit geringer Latenzzeit, die Durchführung sozialwissenschaftlicher Studien und Kosten-Nutzen-Analysen. Unter anderem arbeitet die Gruppe eng mit Teams von ShakeAlert (USA, CAN), Mittelamerika (NI, CR, SV, GT), GNS Science (NZ), INGV (IT), und CWA (TW) zusammen. Die Gruppe hat die Zusatzmodule ETHZ-SED SeisComP EEW (ESE) entwickelt und verwaltet. Diese Instrumente erleichtern Echtzeit- und Wiedergabetests und gewährleisten die Kompatibilität von Standard- und Metadaten der seismologischen Forschungsgemeinde.
Die Gruppe für Echtzeitseismologie entwickelt zudem neue Methoden zur schnellen Datenintegration von verschiedenen europäischen Webdiensten (ORFEUS, EMSC) und für den grenzüberschreitenden Austausch seismischer Wellenformdaten. So sollen Arbeitsabläufe entwickelt werden, die eine rasche Quellcharakterisierung (z. B. für ShakeMap-Berechnungen) einschliesslich endlicher Verwerfungen, ermöglichen. Ausserdem wird erforscht, wie neue Technologien wie Distributed Acoustic Sensing (DAS) in die Echtzeitseismologie integriert werden können. Darüber hinaus leitet die Gruppe das Programm seismo@school, das darauf abzielt, Schülerinnen und Schüler über die Erdbebenforschung zu sensibilisieren und zu bilden.
Unter der Leitung von Dr. Tobias Diehl untersucht die Gruppe Seismotektonik die Zusammenhänge zwischen Erdbeben, einzelnen Verwerfungen und tektonischen Prozessen in der Schweiz und anderen tektonisch aktiven Regionen weltweit. Die Seismotektonik verwertet vorwiegend Informationen aus genauen Bebenlokalisierungen, Herdvorgängen und der Struktur sowie den Eigenschaften der Lithosphäre, die durch passive und aktive seismische Daten, Geodäsie und Geologie abgebildet werden.
Ein wesentliches Ziel der seismotektonischen Analysen beim SED ist die Bestimmung der Herdmechanismen von Erdbeben anhand seismischer Aufzeichnungen. Die Arbeit der Gruppe ist für die Durchführung probabilistischer seismischer Gefährdungsabschätzungen von entscheidender Bedeutung. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den seismotektonischen Prozessen im nördlichen Alpenvorland, da diese Region für künftige geologische Tiefenlager vorgesehen ist.
Die seismotektonische Forschung wird in enger Zusammenarbeit mit Geologinnen und Geologen verschiedener Schweizer Universitäten (z. B. Universität Bern) und nichtakademischen Partnern (z. B. swisstopo, Nagra) durchgeführt. Die Gruppe ist auch am Aufbau von seismischen Instrumenten und an Echtzeit-Überwachungsaufgaben beteiligt. In Zusammenarbeit mit anderen Gruppen des SED ist die seismotektonische Gruppe für die regelmässigen Erdbebenberichte verantwortlich, die im Swiss Journal of Geosciences veröffentlicht werden.
Die muma Gruppe befasst sich mit Methoden zur Verbesserung der Abbildung von Seismizitätsmustern in natürlichen und induzierten Mikrobebensequenzen. Solche Muster spiegeln die zugrunde liegenden erdbebenphysikalischen oder äusseren Antriebsmechanismen wider, welche die Seismizität steuern. Erdbebenphysikalischen Mechanismen umfassen alle Prozesse, die am Erdbeben-Entstehungsprozess in und um die seismische Quelle beteiligt sind.
Sie können von vorausgehendem aseismischem Gleiten bis hin zu kaskadenartigen Wechselwirkungen von Vorbeben reichen.
Im Gegensatz dazu umfassen externe Antriebsmechanismen alle Einflüsse, die von ausserhalb der seismischen Quelle auf die Seismizität wirken, von Erdbeben-Erdbeben-Wechselwirkungen über saisonale hydrologische Veränderungen bis hin zu menschengemachten Einflüssen durch geotechnische Massnahmen. Die hochauflösende Überwachung von Seismizitätsmustern bietet das direkteste geophysikalische Werkzeug zur Abbildung dieser Prozesse ausserhalb von Laboren.
Die muma Gruppe wird von Dr. Toni Kraft geleitet und arbeitet daran, die Präzision und Zuverlässigkeit des nationalen Erdbebenkatalogs der Schweiz durch fortschrittliche Datenverarbeitungstechniken zu verbessern. Die Gruppe spielt auch eine führende Rolle bei der Überwachung seismischer Aktivität im Zusammenhang mit industriellen Untertagearbeiten, wie den Geothermieprojekten im Rahmen des GEOBEST-Projekts oder Tunnelbauarbeiten. Ihre Forschung liefert wertvolle Erkenntnisse sowohl über natürliche wie auch induzierte Seismizität und trägt so zu sicheren industriellen Praktiken und einer verbesserten öffentlichen Sicherheit bei.