Die Sektion Erdbebengefährdung und -risiko unterstützt den SED bei seiner Aufgabe, Erdbebenrisiken zu mindern. Die Sektion entwickelt und aktualisiert regelmässig lokale und nationale Gefährdungs- und Risikomodelle in probabilistischen und deterministischen Ansätzen und trägt zu den europäischen Modellen bei. Dies umfasst alle Modellkomponenten, von Erdbebenkatalogen, aktiven Verwerfungen, seismogenen Quellenmodellen, Vorhersagen zur Erdbebenhäufigkeit, Bodenbewegungsmodellen und -schätzung bis hin zu lokalen Verstärkungsmodellen, Exposition und Verletzbarkeit der gebauten Umwelt, Folgenmodellen, Unsicherheits-Quantifizierung, technischer Integration und Softwareentwicklung.
Die neuesten Modelle sind das Erdbebenrisikomodell für die Schweiz (ERM-CH23), das auf dem nationalen seismischen Gefährdungsmodell (SUIhaz15) und einem nationalen Bodenverstärkungsmodell beruht, ein lokales hochauflösendes Risikomodell für den Kanton Basel-Stadt (ERM-BS24) und die 2022 veröffentlichten europäischen Modelle für Erdbebengefährdung und -risiko (ESHM20 und ESRM20). Der Schwerpunkt der Sektion liegt auf der Erstellung nützlicher, verständlicher und zugänglicher Produkte für verschiedene Interessengruppen, darunter die Öffentlichkeit, kantonale und eidgenössische Regierungsbehörden sowie Ingenieure.
Die Sektion integriert Erdbebengefährdungsprodukte in die Schweizer Ingenieurspraxis, wie z. B. die Schweizer Baunorm SIA 261 und die Talsperrenverordnungen. Zu dieser Tätigkeit gehört auch die Umsetzung des neuesten nationalen seismischen Gefährdungsmodells, die Definition elastischer Antwortspektren, Bodenklassifizierung, Deaggregation und Wellenformdatenbanken. Die Mitarbeitenden der Sektion beteiligen sich auch an der Ausarbeitung nationaler Vorschriften, wie z. B. für die lokale seismische Gefährdungsabschätzung, und der Entwicklung lokaler Gefährdungskarten (Mikrozonierung). Auch das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) stützt sich auf die standortspezifischen Studien der Sektion.
In enger Zusammenarbeit mit der Sektion für Überwachung, Alarmierung und Analyse untersucht die Gruppe erdbebenbedingte Phänomene wie die Entstehung von Steinschlag, Erdrutschen, Bodenverflüssigung und Tsunamis in Seen, die durch das Abrutschen von Sedimenthängen in diesen Gewässern verursacht werden. Sie analysiert die Reaktion dieser spezifischen oberflächennahen geologischen Strukturen auf Umgebungsschwingungen und seismische Bodenbewegungen, schätzt ihr Volumen und innere Struktur und modelliert den Prozess sowie die Folgen von Sediment- und Hangrutschungen.
Darüber hinaus engagiert sich die Sektion in der Lehre und Öffentlichkeitsarbeit und trägt dazu bei, das Bewusstsein für mit Erdbeben verknüpften Risiken und Strategien zur Risikominderung zu schärfen. Sie arbeitet mit verschiedenen Universitäten zusammen und nimmt an öffentlichen Vorträgen teil und stellt so sicher, dass die Forschungsergebnisse eine breite Öffentlichkeit erreichen.
Professor Dr. Donat Fäh leitet die Sektion, die in drei Forschungsgruppen unterteilt ist.
Unter der Leitung von Dr. Paolo Bergamo entwickelt diese Gruppe verschiedene Methoden, um die standortspezifische Verstärkung im Hinblick auf lokale seismische Gefährdungsabschätzungen zu ermitteln. Diese Methoden stützen sich auf geophysikalische Messungen und Erdbebenaufzeichnungen; sie kombinieren sowohl empirische als auch numerische Simulationen, die aus geophysikalischen Modellen abgeleitet werden. Die Gruppe erstellt detaillierte Modelle der Bodenbewegung, die als Grundlage für Risikominderungsstrategien dienen. Ihre Arbeit ist für die Aktualisierung nationaler Standards, wie z. B. Bauvorschriften und Talsperrenverordnungen, und die Erstellung genauer lokaler seismischer Gefährdungsabschätzungen von entscheidender Bedeutung. In Zusammenarbeit mit dem ENSI hat die Gruppe den Auftrag, das Schweizer Modell für stochastische Bodenbewegungen zu aktualisieren und neue Instrumente zu entwickeln, mit deren Hilfe Bodenbewegungen in der Tiefe anhand von Bebenaufzeichnungen an der Oberfläche abgeschätzt werden können. Ein möglicher Anwendungsfall ist das geplante geologische Tiefenlager.
Unter der Leitung von Dr. Laurentiu Danciu und Dr. Philippe Roth entwirft und implementiert diese Gruppe seismische Gefährdungs- und Risikomodelle in verschiedenen Grössenordnungen, von standortspezifischen über die regionale bis zur nationalen Modellen. Sie übernimmt die technische Umsetzung der Komponenten und Modelle und kümmert sich um die rechnerischen Aspekte. Die Gruppe spielte eine zentrale Rolle bei der Entwicklung des nationalen Erdbebengefährdungsmodells (SUIhaz15) und des Erdbebenrisikomodells (ERM-CH23), die den Entscheidungsträgern, Ingenieurinnen und Ingenieure sowie der Öffentlichkeit wertvolle Informationen liefern. In einem grösseren Rahmen leitet sie die Entwicklung europäischer Gefährdungsmodelle wie dem ESHM20 und dem Erdbebengefähdungsmodell des Nahen Ostens (EMME14). Die Gruppe arbeitet mit verschiedenen Akteuren und Einrichtungen an der Abschätzung von natürlichen und menschengemachten Erdbebengefährdung und -risiken zusammen, darunter Versicherungs- und Rückversicherungsgesellschaften, Ingenieurbüros und die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA).
Die Gruppe führt das Sekretariat und den Internetauftritt der European Facilities for Earthquake Hazard and Risk (EFEHR) und bietet Zugang zu nationalen und regionalen Gefährdungsmodellen. Zudem beteiligt sich die Gruppe aktiv an der Entwicklung von Instrumenten zur schnellen Schadensabschätzungen bei Erdbeben und operativer Dienste, welche die Minderungsmassnahmen in der Schweiz unterstützen. Ausserdem vertritt sie die Schweiz im Auftrag des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) in der GEM Stiftung in Pavia (Italien) und leistet ihren Beitrag zum globalen Erdbebenmodell und der Entwicklung der OpenQuake Software.
Unter der Leitung von Dr. Franziska Glüer und Dr. Valentin Gischig befasst sich die Gruppe für Georisiken mit geophysikalischen Messungen, seismischer Überwachung, numerischer Modellierung sowie ingenieurgeologischen und geotechnischen Verfahren zur Untersuchung von erdbebeninduzierten Gefahren. Ihre Forschung umfasst Steinschlag und Erdrutsche, Bodenverflüssigung und durch Erdrutsche ausgelöste Seetsunamis. Die Gruppe entwickelt Verfahren zur geophysikalischen Standortcharakterisierung von Berghängen und -seen sowie Instrumente zur Überwachung von Veränderungen in der seismischen Reaktion, die mit Veränderungen in der inneren Struktur zusammenhängen. Zu ihrer Arbeit gehört die schweizweite Beobachtung aktiver Hanginstabilitäten, z. B. in Brienz/Brinzauls, wie auch sich langsam bewegender Erdrutschgebiete. Die Gruppe befasst sich zudem mit der Entwicklung von Methoden, um Bodenverflüssigung an Schweizer Standorten vorherzusagen und zu überwachen. Darüber hinaus betreibt sie risikobezogene Forschung im BedrettoLab, mit Fokus auf der Modellierung hydromechanischer Prozesse.