Um in Zukunft die Gefahren von natürlichen und induzierten Erdbeben besser abschätzen zu können, braucht es ein genaueres Verständnis von Verwerfungszonen in tektonisch aktiven Gebieten wie der Schweiz. Mit Hilfe geophysikalischer Abbildungsverfahren und geologischen Kartierungen wurden in den letzten Jahren zahlreiche Verwerfungen in den schweizerischen Alpen und im nördlichen Alpenvorland identifiziert. Allerdings treten in vielen Fällen Erdbeben abseits dieser kartierten Verwerfungen auf, was die Frage nach den tektonischen Prozessen und Mechanismen aufwirft, die diesen Erdbeben zugrunde liegen.
Ziel dieses Projektes ist es, durch verbesserte geophysikalische Inversionsverfahren die Strukturen von Verwerfungszonen hochauflösend abzubilden und daraus Erkenntnisse über mechanische Eigenschaften der Bruchsysteme abzuleiten. Dazu werden unter anderem Verfahren der seismischen Tomografie mit hochauflösender Erdbebenlokalisierung kombiniert. Die Anwendung konzentriert sich auf zwei Regionen in der Schweiz: (i) einer äußerst aktiven Erdbebenzone nördlich des Rhônetals im Kanton Wallis, (ii) einer Verwerfungszone nahe St. Gallen, die während Stimulationsmaßnahmen für ein geplantes Geothermiekraftwerk aktiviert wurde.
Durch die Anwendung verbesserter Abbildungsverfahren erwarten wir zum einen neue Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen existierenden Verwerfungen und dem Auftreten von Erdbeben. Zudem sind die beiden Untersuchungsgebiete von hoher gesellschaftlicher Relevanz. Das Wallis ist die Region mit der größten seismischen Gefährdung der Schweiz und ein Großteil der gegenwärtigen Seismizität in diesem Gebiet steht in Verbindung mit der Erdbebenzone nördlich des Rhônetals. Die St. Gallen Verwerfungszone bietet Gelegenheit zur Untersuchung der Erdbebengefährdung im dicht besiedelten Molasse Becken, welches potentieller Standort zukünftiger Geothermieprojekte und atomarer Endlager ist.