09.07.2024
Seismische Stationen zeichnen alle Arten von Bodenbewegungen auf, also weit mehr als nur Erdbeben. Dominiert werden unsere Messungen vom seismischen Hintergrundrauschen. Dabei handelt es sich um Schwingungen, die durch weit entfernte Meeresbewegungen, atmosphärische Druckänderungen oder menschgemachte Ereignisse wie Sprengungen in Steinbrüchen, Verkehr, Bauarbeiten oder Explosionen verursacht werden. Dieses Rauschen kann genutzt werden, um den Boden unter uns abzubilden oder um abzuschätzen, inwieweit der lokale Untergrund seismische Wellen verstärken kann.
Bei Interesse oder Bedarf lassen sich aus diesen Daten zudem Rückschlüsse auf Ereignisse mit seismischem Fussabdruck ziehen. Einen solchen hat das Konzert von Taylor Swift in Zürich am 9. Juli (und anderswo) versursacht. Wenn sich viele Menschen gleichzeitig rhythmisch bewegen, überträgt sich diese Energie als harmonische Schwingung in den Boden und kann von nahegelegenen Seismometern gemessen werden. Die durch das Konzertpublikum ausgelösten Erschütterungen sind an acht Stationen des seismischen Netzwerks bis zu einer Distanz von 6 Kilometern um das Letzigrundstadium ersichtlich. Danach verlieren sie sich im übrigen Hintergrundrauschen. Ähnliche Spuren haben auch andere grosse Konzerte oder Fussballspiele in der Vergangenheit in den seismischen Daten hinterlassen.
Weiterlesen...Wie deutlich sich Bewegungen von Menschen aus dem Hintergrundrauschen herauslesen lassen, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Beispielsweise von der Distanz zur nächstgelegenen seismischen Station. Springt man direkt neben einem Seismometer, reicht eine Person, um sichtbare Ausschläge zu erzeugen. Mit zunehmender Distanz braucht es eine grössere Menge an sich bewegenden Personen. Hätte also die Schweiz die Europameisterschaft gewonnen, sähe man in den seismischen Daten keine Familien vom Sofa aufspringen, aber eventuell die Begeisterung von Zuschauenden in grösseren Public Viewings. Zudem spielt der Untergrund eine Rolle. Bewegen sich die Menschenmassen rhythmisch auf weichem Untergrund, wie den Schotterablagerungen des Limmatttals, sind die Erschütterungen stärker als auf härterem Gestein, werden aber auch schneller mit der Distanz gedämpft. Verstärkt werden die Bodenbewegungen noch, wenn ein Gebäude wie etwa die Tribünen durch die Menschen in seiner Resonanzfrequenz angeregt wird. Natürlich lässt sich auch der gegenteilige Effekt beobachten. Die Massnahmen zur Eindämmung von COVID-19 haben von Anfang bis Mitte 2020 weltweit zu einem Rückgang des seismischen Hintergrundrauschens durch menschliche Aktivität geführt (SED Newsbericht).
Ob Taylor Swift nun mehr oder weniger als andere Bands oder eine Fussballpartie begeistert, die ebenfalls messbare seismische Erschütterungen verursachen, darüber lässt sich mit den seismischen Daten keine belastbaren Aussagen machen.