Seit 2023 verfügt die Schweiz über das erste nationale und öffentlich zugängliche Erdbebenrisikomodell. Dieses hat der Schweizerische Erdbebendienst (SED) an der ETH Zürich im Auftrag des Bundesrates und in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Umwelt (BAFU), dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS), der EPFL und weiteren Partnern aus der Industrie erstellt. 

Das Erdbebenrisikomodell der Schweiz ist Teil des Massnahmenprogramms des Bundes zur Erdbebenvorsorge, welches das Bundesamt für Umwelt (BAFU) koordiniert. Das Programm hat zum Ziel, ein umfassendes Erdbebenrisikomanagement auf Bundesebene sicherzustellen. Die Strategie des integrales Risikomanagement des Bundes im Bereich der Naturgefahren sieht zudem vor, dass deren Risiken transparent quantifiziert und periodisch, dem Wissensstand entsprechend, aktualisiert und kommuniziert werden. Auch dazu leistet das Erdbebenrisikomodell der Schweiz einen wesentlichen Beitrag. 

Nutzen des Erdbebenrisikomodells

Das Erdbebenrisikomodell und die darauf basierenden Produkte dienen der Erdbebenvorsorge, Ereignisbewältigung, Sensibilisierung und als Grundlage für spezifische Risikoanalysen.

  • Konkret sind folgende Anwendungen möglich:
  • Schnelle Schadenabschätzungen, die es kurz nach einem Erdbeben ermöglichen, die Auswirkungen abzuschätzen und damit die Ereignisbewältigung zu unterstützen.
  • Szenarien, welche die Folgen von historischen Beben heute oder beliebigen, künftigen Beben aufzeigen und damit die Erdbebenvorsorge unterstützen.
  • Abschätzungen der Erdbebenrisiken für Gebäudeportfolios, die Eigentümerinnen und Eigentümer oder Versicherungen helfen, informierte Entscheide im Bereich Erdbebenvorsorge zu treffen.
  • Informationen, um Schadenspotentiale und Risiken auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene besser abzuschätzen.
  • Grundlagen, um Kosten-Nutzen-Analysen beispielsweise von Präventionsmassnahmen durchzuführen.
  • Kennwerte, um Deckungs- und Finanzierungsmodelle zu untersuchen und zu optimieren.
  • Beitrag für weiterführende wissenschaftliche Untersuchungen.
  • Bereitstellung weiterführender Produkte, z. B. für Risikoabschätzung bei Geothermieprojekten oder der Bestimmung des zeitabhängigen Erdbebenrisikos bei Erdbebenschwärmen.

Modellentwicklung

Bei der Entwicklung des Erdbebenrisikomodells der Schweiz wurde ein Schwerpunkt auf die Aufbereitung der Datengrundlagen gelegt. Über drei Millionen einzelne Erdbeben wurden simuliert, die sich in der Schweiz und dem grenznahen Ausland ereignen könnten. 

Das Modell macht Abschätzungen zur Verletzbarkeit der mehr als zwei Millionen Wohn-, Geschäfts- und Industriegebäude in der Schweiz. Dazu wurde für unterschiedliche, repräsentative Gebäudearten die Verletzbarkeit aufgrund von Gebäudeeigenschaften abgeleitet und in sogenannte Verletzbarkeitsklassen eingeteilt. Der Gebäudebestand wurde auf dieser Basis ausgehend von einfachen Merkmalen wie der Anzahl Stockwerke oder der Bauperiode statistisch diesen Klassen zugeordnet. Zusammen mit Angaben zu den betroffenen Personen und Werten lassen sich die Folgen für die Bewohnerinnen und Bewohner sowie die finanziellen Verluste bestimmen. Letztere sind ausgedrückt als Anteil der Wiederherstellungskosten der Gebäude. Die Mehrheit der Schweizer Gebäude wurde nicht gemäss den heute geltenden Baunormen für eine erdbebengerechte Bauweise gebaut.

Darüber hinaus liefern verbesserte Datengrundlagen zu den Verstärkungseffekten des Untergrunds ein deutlich besseres Bild der lokalen Auswirkungen. Die Daten umfassen die Verstärkungen in Relation zum Referenzfels für Erdbeben, die in den Jahren 2000-2022 an 245 seismischen Stationen in der Schweiz registriert wurden. Die an vielen Standorten gemessenen Scherwellengeschwindigkeits-Profile und Boden-Eigenfrequenzen halfen, die beobachteten Verstärkungen zu modellieren. 

Eine umfassende Dokumentation des Erdbebenrisikomodells der Schweiz bietet der technische Bericht «Earthquake Risk Model for Switzerland (ERM-CH23)». 

Modellunsicherheiten

Das Erdbebenrisikomodell der Schweiz entspricht dem aktuellen Stand der Technik und Forschung. Die Quantifizierung der Unsicherheiten geht zudem weiter als in den kommerziellen Modellen. 

Trotz verbesserter Daten sind Abweichungen von den tatsächlichen Folgen aufgrund der Modellunsicherheiten zu erwarten. Um diese Unsicherheiten zu verkleinern und damit die Modellaussagen zu verbessern, wird das Erdbebenrisikomodell in den nächsten Jahren weiterentwickelt und kalibriert.

Datenzugang für Fachpersonen

Derzeit werden die dem Erdbebenrisikomodell der Schweiz (ERM-CH23) zugrundeliegenden Daten aufbereitet. Anschliessend werden verschiedene Komponenten auf dem Datenportal der European Facilities for Earthquake Hazard and Risk EFEHR zugänglich gemacht.

Eine umfassende Dokumentation des Erdbebenrisikomodells der Schweiz bietet der technische Bericht «Earthquake Risk Model for Switzerland (ERM-CH23)». Darin ist aufgeführt, weshalb und wofür Erdbebenrisikoanalysen nötig sind und was das erste öffentlich zugängliche Erdbebenrisikomodell der Schweiz beinhaltet. Es folgen detaillierte Beschriebe der Modellkomponenten, der Modellkomposition und -berechnung sowie der Resultate. Der Bericht schliesst mit einem Überblick der für unterschiedliche Zielgruppen entworfenen und getesteten Produkte sowie einem Ausblick auf Weiterentwicklungen.

Für alle Daten und Materialien, die in Zusammenhang mit dem Erdbebenrisikomodell der Schweiz stehen, gilt die CCBY-Lizenz

Bild für Datenzugang für Fachpersonen

Finanzierung

Die Kosten für die Entwicklung des Erdbebenrisikomodells der Schweiz betrugen 4.5 Millionen Schweizer Franken. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU), Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) und die ETH Zürich haben die Kosten zu gleichen Teilen finanziert.